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Ver-Cloud-ifizierung des vernetzten Autos

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Artikel wie dieser heise-Beitrag[1] treiben mich zur Annahme, dass wir in Zukunft auch noch im Bereich des Individualverkehrs mit massiven Einbußen in die Privatsphäre rechnen müssen.

[1] Milliardengeschäft: Das vernetzte Auto (heise)

Her damit!

Bitte nicht falsch verstehen: Ich bin ein großer Befürworter von Technologien, die einerseits die Sicherheit im Verkehr deutlich erhöhen. Und andererseits kann ich es kaum erwarten, dass ich mich in so ein Transport-Ding reinsetze, mein Ziel möglichst bequem dem Ding mitteilen kann und ich während der Fahrt zum Ziel mich mit den Mitfahrern unterhalten, ein Buch lesen, etwas schlafen, am Notebook arbeiten, einen Film schauen oder sonstwas machen kann. So wie im Zug. Nur immer her damit!

Ich gebe nichts auf Fahrspaß und sehe auch keine Beschneidung meiner persönlichen Freiheit, wenn ich chauffiert werde. Diese Art der Kritik erinnert mich an viele - aus der heutigen Perspektive lustigen - Kommentare, als Technologien wie die Dampflokomotive, das Auto, das Telefon, der Sprechfilm und so weiter eingeführt wurden.

Es hat den Anschein, dass etliche Männer ihre Domäne und ihr Statussymbol schwinden sehen.

Schaffen die das?

Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus (fünf Jahre Forschung und Entwicklung in der Automobilindustrie) sehe ich hier ein Problem in der Umsetzung. Die Fahrzeugindustrie ist ein sehr konservativer Bereich mit viel Maschinenbau-Know-How aber noch viel zu wenig IT-Know-How. Die Softwarewerkzeuge bei der Entwicklung sind technologisch größtenteils ziemlich alt. Die Methoden sind sehr verbesserungswürdig. Ein großer Faktor bei den aktuellen Pannenzahlen ist bezeichnenderweise die Fahrzeugelektronik.

Die Automobilindustrie hat die Elektronik also noch nicht wirklich im Griff.

Selbstfahrende Autos erfordern allerdings aktuellste Technologien oder gar Technologien, die erst entwickelt werden müssen. Und das auf einem Sicherheitsniveau, das bislang nur im Flugzeugbau angewendet werden muss.

Ich denke, damit sind die meisten Autohersteller zurzeit deutlich überfordert.

Und in Bezug auf [1] muss ich leider sagen, dass Bosch nicht mal eBike-Fahrradcomputer für Technik-affine Leute in ordentlicher Art und Weise zustandebringt: USB-Schnittstelle nicht fürs Auslesen der Daten sondern nur zum Laden von Handys wo zudem noch keine Micro-USB-auf-Micro-USB-Kabel erhältlich sind. Im Vergleich zu autark fahrenden Autos ist das noch ein Riesenunterschied.

Meiner Meinung nach muss die Automobilindustrie noch viel aufholen und deutlich mehr IT-Know-How einfließen lassen.

Subtile Nachteile

Leider muss ich auch im verlinkten heise-Beitrag [1] sehr problematische Töne herauslesen. Nicht nur, dass sich Firmen angesichts des Multi-Milliarden-Unterfangens die Hände gierig reiben. Es sind jetzt schon Tendenzen erkennbar, die ich aus vielerlei Hinsicht für äußerst problematisch sehe.

Nehmen wir folgendes Zitat aus [1]:

Rechtliche Rahmenbedingungen, zum Beispiel Haftungsfragen, dürften sich in den kommenden sechs bis zehn Jahren lösen lassen, glaubt Scheider. Auch Probleme mit dem Datenschutz sieht er nicht: "Wir müssen dem Autokäufer Funktionen anbieten, so dass der Nutzen eindeutig größer ist als das Risiko, das er sieht", erklärt Scheider.

Dieser Herr Schneider (vom großen Automobilzulieferer Bosch) meint, dass man mit viel Nutzen den Datenschutz vergessen machen kann. Erinnert mich stark an sehr viele aktuelle Technologien, wo die Leute durch Funktionen/Nutzen sehr viel Datenschutz-Bewusstsein über Bord werfen: facebook, Google Drive oder Dropbox, und und und.

Nicht, dass er meint, man muss mit den Benutzern in einen Dialog treten und eine Lösung finden, wo der Datenschutz ein zentrales Element wäre. Der Datenschutz wird mit hübschen Features vergessen gemacht. Was ist denn das für ein Verständnis von Datenschutz?

Auch der Aspekt aus diesem Kommentar ist sehr interessant: Das Risiko, das die Anwender sehen.

Die Probleme mit facebook sind nicht unbedingt ursächlich in den zugegebenermaßen tollen Funktionen, die vordergründig verwendet werden. Die Probleme mit facebook und Co. fangen dort an, wo der durchschnittliche Anwender nichts sieht: falsche oder nicht falsche Auswertungen der Daten werden weiterverkauft und Kunden wie zum Beispiel Versicherungen setzen damit höhere Prämien an, wenn ein Kunde die falschen Verbindungen zu Risikogruppen aufweist.

All diese Weiterverwendungen von Daten der Benutzer im Hintergrund sind nicht mehr von den Benutzern nachvollziehbar oder gar kontrollierbar. Was gemacht werden kann, wird gemacht. Irgendjemand zahlt immer für irgendwelche Daten, die dann wieder an Dritte weiterverkauft werden. Das kann man ruhig als Naturgesetz sehen.

Insofern sehe ich sehr bedenkliche Zukunftsprognosen.

Die Alternative bei facebook ist derzeit noch relativ einfach: nicht verwenden. Wenn allerdings alle Autos Technologien einsetzen, die problematisch sind, gibt es kaum Ausweichmöglichkeit. Auch noch so engagierte Öffi-Benutzer werden wohl einsehen, dass es ohne Autos auf absehbare Zeit nicht gehen kann.

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